Sprung ins kalte Wasser – ein Plädoyer für die Sinnsuche im Beruf

Immer mehr Menschen suchen nach einer sinnstiftenden Arbeit. Doch der Weg dahin stellt die Meisten vor große Hürden. Carola von Peinen hat den Sprung gewagt und ihren alten Job aufgegeben. Heute hilft sie anderen dabei, in Berufe mit gesellschaftlichem Mehrwert zu wechseln. Ein Besuch bei einer Personalvermittlerin, die so gar nicht den Klischees ihrer Branche entsprechen will.

Was ist gute Arbeit? Ein attraktives Gehalt, Entwicklungsperspektiven und ein nettes Team reicht vielen nicht mehr aus, um im Job dauerhaft zufrieden zu sein. Denn sie wollen hinter ihrer Arbeit stehen können und spüren, dass nicht nur sie selbst, sondern auch andere von ihrem Einsatz profitieren. Letztlich geht es darum, einen Sinn in der eigenen Tätigkeit zu erkennen. So war es auch bei Carola von Peinen. Ihre Geschichte zeigt, warum die Suche nach einer sinnstiftenden Arbeit so schwierig ist und weshalb es sich trotzdem lohnt, diesen Weg zu gehen.  

Carolas Berufsweg beginnt nach dem BWL-Studium zunächst eher klassisch mit dem Einstieg bei einem großen Personaldienstleister. Hier fühlt sie sich sehr wohl, ihr Arbeitgeber präsentiert sich integer, sie lernt schnell und entwickelt sich rasch weiter. In ihrem ersten Job als Vertriebsdisponentin bringt sie Menschen in Arbeit, die meist nicht die besten Ausgangspositionen haben. Es folgen Stationen im Business Development und im Key Account Management. Schließlich leitet Carola eine Niederlassung, die sich auf die Vermittlung von Fachkräften im Finanzwesen und im Call Center Bereich spezialisiert hat. Insgesamt wird sie über acht Jahre in der Firma bleiben.

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Doch schon lange vor ihrem Ausstieg beginnt Carola sich Fragen zu stellen. Zum Beispiel, ob ihr Berufsweg wirklich zu ihr passt. Ihr Job macht Spaß und bringt die gewünschte Sicherheit ins Leben. Dennoch bleibt das Gefühl, oft nur nach sich bietenden Gelegenheiten gegriffen zu haben. Sie hat sich nie konkret die Frage gestellt, wie wohl ihr Leben und ihre Arbeit aussähen, wenn sie wirklich frei und selbstbestimmt darüber entscheiden würde. Dann begibt sich Carola auf die Suche nach Antworten. Es dauert zwei Jahre, bis ihr langsam bewusst wird, dass soziale und ökologische Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen sollen. Carola fängt an, diese Werte in ihren Kaufentscheidungen zu berücksichtigen und über alternative Modelle des Wirtschaftens nachzudenken. 

Im Job bleibt jedoch erst mal alles beim Alten, bis sich eines Tages ein Headhunter meldet, der ihr einen Wechsel zur Konkurrenz anbietet. Nach langem Überlegen schlägt Carola das attraktive Angebot aus. Ihr wird klar, dass der Wechsel zwar gut für die Karriere wäre, ihre grundsätzlichen Bedenken aber bleiben würden. Auf Grund ihres Bedürfnisses nach Sinnstiftung und Nachhaltigkeit entscheidet sie sich zum ersten Mal gegen den nächsten Karriereschritt. Mit der Absage ist klar, dass sich nun grundlegend etwas ändern muss. Einfach im alten Job weitermachen ist nach dem ausgeschlagenen Angebot keine Alternative.

Also fängt Carola an, sich nach Jobs mit gesellschaftlichem Mehrwert umzusehen, findet aber nur wenige interessante Ausschreibungen. Sie sucht nach Personaldienstleistern, die solche Jobs vermitteln. Zwar gibt es viele Organisationen, die im sozialen oder ökologischen Bereich tolle Arbeit leisten und immer wieder Vakanzen haben müssten. Aber eine professionelle Jobvermittlung sucht sie vergeblich. Carola setzt sich mit der Frage auseinander, warum der Wechsel vom ersten in den dritten Sektor so schwierig und vor allem intransparent ist. Würde es nicht Sinn machen, ihr Knowhow hier einzusetzen und Wechselwillige mit spannenden Organisationen zusammenzubringen?

Dann scheinen sich die Dinge zu fügen. Einige Monate später wird die von ihr geleitete Niederlassung aus strategischen Gründen geschlossen. Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle beginnt. Soll sie sich innerhalb der Firma verändern oder ohne Masterplan in die Arbeitslosigkeit gehen und die Zeit für eine Neuorientierung nutzen? Letztlich entscheidet sie sich dafür, das Unternehmen zu verlassen.

Zur selben Zeit lernt sie Anna Roth-Bunting kennen, die an sehr ähnlichen Ideen arbeitet. Die beiden schließen sich zusammen und gründen Ende 2012 Talents4Good, den ersten professionellen Personalvermittler für den dritten Sektor. Ihr Ziel ist es, diesen Arbeitsmarkt zum einen attraktiver, transparenter und vor allem zugänglicher zu machen – auch für Menschen, die sich beruflich neu orientieren wollen. Andererseits wollen sie die vielen Organisationen, die sich für eine zukunftsfähigere und bessere Welt einsetzen, dabei unterstützen, das beste Personal für ihre Sache zu finden.

Das Konzept kommt an, inzwischen haben sie vier Mitarbeiter und mehr als 50Menschen in neue Jobs vermittelt. Und natürlich denken sie auch schon einen Schritt weiter. Mittelfristig wollen die beiden nicht nur Personaldienstleister sein, sondern den Arbeitsmarkt im dritten Sektor aktiv mitgestalten. So prüfen sie gerade, ob es Sinn macht, ihre Kunden zu unterstützen, Mitarbeiterentwicklungsprogramme aufzusetzen, ihre Arbeitgebermarke zu schärfen oder gezielte Ausbildungen für Branchenwechsler anzubieten.

Nachdem sie selbst den Sektor gewechselt hat, begleitet Carola nun über Talents4Good mit Engagement und viel Freude Menschen, die ähnliches vorhaben. Ihrer Erfahrung nach ist es für die Meisten ein langer und oft nicht ganz einfacher Prozess. In vielen Fällen beginnt er mit einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem bisherigen Job, weitet sich über die Zeit zur Sinnkrise aus, und mündet schließlich in der Frage, was ein erfüllender Job alles mit sich bringen sollte. Denn sinnstiftende Arbeit bedeutet letztlich für jeden etwas anderes. So rät Carola sich die Frage zu stellen, welchen Unterschied man im eigenen Leben oder in der Welt sehen möchte. Was konkret soll sich mit der eigenen Arbeit also ändern? So beginnt der Prozess zunächst mit Fragen: Was ist mir wichtig? Was passt zu mir? Was will ich wirklich?

Erst hiernach folgt bei den Meisten die Suche nach einem entsprechenden Job. Doch auch diese Phase ist nicht einfach, da es keinen Überblick über offene Positionen gibt. Zudem sind Branchenwechsler und Organisationen oft nicht auf die Kulturunterschiede eingestellt, die sich durch die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe ergeben. Und wenn es zu Verhandlungen kommt, folgt oft Ernüchterung über die Gehaltsunterschiede zwischen den Sektoren. Und dann braucht es noch Mut und Stärke, um aus dem alten Umfeld auszubrechen, und einen Weg zu gehen, bei dem nicht klar ist, wohin er führen wird.

Carola hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Wechsler trotz dieser Hürden doch gut unterkommen und glücklich sind, den Weg gegangen zu sein. Denn sie haben auf ihre Bedürfnisse gehört und ihrem Drang Taten folgen lassen. Und selbst diejenigen, die sich dann doch dafür entscheiden, nicht zu wechseln, wissen meist deutlich besser, was sie wollen und wofür sie stehen. So lohnt sich die Suche nach sinnstiftender Arbeit letztlich für alle.

 

Bildquelle: © Florian Kiel

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